Seit die Zuwanderung von Flüchtlingen auch zahlenmäßig eine neue Dimension erlangt hat, gab es eine Reihe von Stellungnahmen zur Thematik, häufig verbunden mit allgemeinen Forderungen an die Politik. Es ist für den Fachbereich Sozialwesen der EAH selbstverständlich, eindeutig Position für Menschen zu beziehen, die sich aufgrund von Krieg, Verfolgung und Hunger gezwungen sehen, ihre Heimatländer zu verlassen. Doch konkrete Handlungsvorschläge sind ebenso notwendig – vor allem zur Erreichung mittel- und langfristiger Integrationserfolge.

Positiv hervorzuheben ist daher der im September 2015 von PRO ASYL gemeinsam mit anderen Organisationen und deutschen Musikgruppen veröffentlichte Appell unter der Überschrift „Zeit zu handeln!“ In Punkt 2. werden über die Existenzsicherung hinaus „Sprachkurse, Hilfestellungen bei der Arbeitsmarktintegration sowie Bildungsmaßnahmen für junge Flüchtlinge“ gefordert, verbunden mit dem Hinweis: „Das alles kostet zu Beginn des Aufenthalts Geld. Die Kosten einer langfristigen Desintegrationspolitik werden jedoch deutlich höher ausfallen.“ Doch insbesondere die Politik ist aufgrund der großen Anzahl von Flüchtlingen überfordert. Sie hat überwiegend kurzfristige Antworten und Handlungen parat, die mehr auf die Begrenzung der Zuwanderung abzielen als auf die dringend gebotenen und gesellschaftlich benötigten Teilhabechancen derjenigen mit einer Bleibeperspektive.

Die Soziale Arbeit weist spezifische Erfahrungen und eine besondere Verantwortung gegenüber Menschen in prekären Situationen auf. Dies trifft umso mehr auf den aktuellen Anstieg der Flüchtlingszahlen zu, für den es keine Muster gelingender Bewältigung von Lebenskrisen im gegenwärtigen Ausmaß gibt. Die Antwort auf das nicht normative Lebensereignis der Flucht aus der Heimat, auf die Aufgabe bekannter Lebensumstände und des daraus resultierenden Neubeginns in einem fremden Land muss die Schaffung von Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe der Flüchtlinge innerhalb der aufnehmenden Gesellschaft unter Anerkennung von Diversität sein. Hierzu zählt auch, Flüchtlingen die verschiedensten Möglichkeiten einer derartigen Teilhabe in Ausbildung, Beruf, Gemeinwesen usw.  aufzuzeigen.

Der Fachbereich Sozialwesen setzt sich dafür ein, kurz- bis mittelfristig folgende Beiträge zur Eröffnung von Teilhabechancen für Flüchtlinge zu leisten:

1. Sprachkurse für Studierende der Sozialen Arbeit

Als fakultatives Zusatzangebot für Studierende der Sozialen Arbeit werden im Wintersemester 2015/2016 Sprachkurse in Arabisch und in Farsi angeboten, um die Kontaktaufnahme mit den Flüchtlingen im Zuge der Eingliederung zu erleichtern.

2. Weiterbildung für Quereinsteiger*innen in der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die selbst ihren Weg direkt nach Thüringen finden, kommen nach Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes zum 01.11.2015 noch diejenigen hinzu, die durch das neue Verfahren nach § 42a SGB VIII aus den Ballungszentren auf andere Bundesländer umverteilt werden. Qualifiziertes Personal, um alle diese jungen Menschen nach fachlichen Standards zu betreuen, steht absehbar nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Im Auftrag des Thüringer Bildungsministeriums bietet der Fachbereich Sozialwesen in 2016 eine einjährige Weiterbildung für 30 Quereinsteiger*innen in der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an. Ein abgestimmtes Parallelangebot entsteht an der Fachhochschule Erfurt.

3. Öffnung des Studiums für Flüchtlinge

Neben der Verbesserung der professionellen Unterstützung ist es aber unerlässlich, auch Bildungsmaßnahmen für junge Flüchtlinge zu ermöglichen; u.a. in Form der Aufnahme eines Studiums der Sozialen Arbeit möglichst schon ab dem Wintersemester 2016/17. Denn durch den Erwerb der Kenntnisse in der Sozialen Arbeit in Deutschland in Verbindung mit eigenen kulturellen Hintergründen wird es Studierenden aus verschiedensten Herkunftsländern möglich sein, geflüchtete Menschen adäquat und bestmöglich zu begleiten und professionell zu unterstützen. Auch Flüchtlinge ohne nachgewiesene Hochschulzugangsberechtigung sollten bei entsprechender Eignung zur Probe immatrikuliert werden können. Voraussetzungen dafür sind aber insbesondere ein gesicherter Aufenthaltsstatus bzw. eine gute Bleibeperspektive sowie ausreichende Sprachkenntnisse. Der Fachbereich Sozialwesen fordert daher die Landesregierung auf, die personellen und finanziellen Rahmenbedingungen dafür zügig und in relevantem Umfang zu schaffen.

Die Zugangsmöglichkeit für studierfähige und –willige Flüchtlinge an die Hochschulen diente nicht nur der Teilhabe der betreffenden Studierenden, sondern wäre auch ein Signal für Akzeptanz und Vielfalt und zugleich eines gegen fremdenfeindliche Haltungen in der Gesellschaft. Bis es soweit ist, setzt sich der Fachbereich Sozialwesen für die Möglichkeit einer kostenfreien Gasthörerschaft für Flüchtlinge ein, um so zumindest schon erste Pfade zur Teilhabe zu eröffnen.

Oktober, 2015

Der Fachbereich Sozialwesen
der Ernst-Abbe-Hochschule Jena